Prof. Hans Fenske

Der Anfang vom Ende des alten Europa

Die alliierte Verweigerung von Friedensgesprächen 1914-1919

Olzog-Verlag 2013 144 Seiten 19,90 €

Der vorliegende Band des emeritierten Professors für Neue und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg, Hans Fenske, ist ein sehr wichtiger Beitrag für die im kommenden Jahr 2014 anstehende geschichtspolitische Debatte um das 100jährige Jubiläum des Beginns des Ersten Weltkrieges.

Ein schmales Buch, das dank profunder Kenntnisse und der ruhigen, abwägenden Sprache des Autors zum großen Wurf gerät und vollauf überzeugt. Fenske legt detailliert dar, daß die Mittelmächte (Deutschland und Österreich-Ungarn) am Ausbruch des Ersten Weltkrieges keinesfalls alleinschuldig waren und auch nicht die hauptsächliche Verantwortung für die Weiterführung des Krieges – trotz mehrfacher, ernstgemeinter Friedensinitiativen u.a. des Papstes – trugen.

Besonders aufschlußreich sind die vergleichenden Ausführungen der Friedensverträge von Versailles und Brest-Litwosk (zwischen den Mittelmächten und Rußland). Fenske läßt letzteren in deutlich besserem Lichte erscheinen als die herkömmliche Geschichtsschreibung. Im Westen war ein Friedensschluß auf Basis des Status quo ante unmöglich, schließlich war es vor allem Frankreichs erklärtes Kriegsziel, „das Werk Bismarcks zu zerstören“ (Théophile Delcassé).

Dies war nach dem Ausscheiden Rußlands aus der Entente nur durch das Eingreifen der USA auf Seiten Großbritanniens und Frankreichs 1917/1918 möglich. Dabei trat schon damals ein verhängnisvolles Muster der Intervention in raumfremde Angelegenheiten auf, das für die Außenpolitik der USA bis heute typisch werden sollte:

1. Umfassende Verteufelung des Kriegsgegners als Feind der ganzen Menschheit („a war to end all wars“, „make the world safe for democracy“).

2. Nach dem militärischen Sieg folgt mangels klarer Zielvorstellungen und völliger Unkenntnis der vorliegenden geostrategischen Lage ein Friedenschluß, der nicht tragfähig ist und nur die Saat zu neuen Unruhen oder – wie im Falle des Versailler Diktates – eines neuen Weltkrieges legt.

3. Die USA weigern sich die Konsequenzen des angerichteten Chaos zu tragen und ziehen sich auf die sichere Basis jenseits des Atlantiks zurück. Wie 1918/1919 in Europa, so im 21. Jahrhundert im Nahen Osten.

Fazit

Dem Leser geht folgender Gedanke bei der Lektüre nicht aus dem Kopf: Hätte der Erste Weltkrieg ein anderes Ende gefunden als das Versailler Diktat, wieviel Leid hätte ganz Europa erspart werden können!

Fenske zeigt überzeugend, daß dieser Konflikt die entscheidende Grundlage für den Verlauf der letzten hundert Jahre war. Wer dieses Büchlein aus den Händen legt, weiß wo die Verantwortlichen für diese „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ zu finden sind.