ZDF-History (Guido Knopp)

Wilhelm II.

Der letzte Deutsche Kaiser

TV-Dokumentation Erstausstrahlung: ZDF, 02.07.2006 von 23:40–00:25 Uhr

Auf dem 46. Deutschen Historikertag im September 2006 erregte der renommierte Jenaer Historiker Norbert Frei einiges Aufsehen, weil er u.a. die mediale Darstellung von Geschichte durch die Dokumentationen des ZDF-„Haushistorikers“ Guido Knopp als „Geschichtspornographie“ titulierte.ZDF-History

Wer die Richtigkeit dieser Bezeichnung überprüfen will, dem sei die oben genannte Knoppsche Dokumentation über Wilhelm II. empfohlen, die von Zeit zu Zeit auf öffentlich-rechtlichen Kanälen wiederholt wird.

Wer es gern einfach mag, der kommt bei dieser Reportage über den Kaiser auf seine Kosten: „Er versprach einen Platz an der Sonne und stieß doch das Tor auf zu zwei [!?] furchtbaren Weltkriegen!“, heißt es ganz vollmundig gleich zu Beginn der 45minütigen Doku-Tortur.

Die These bleibt in den Raum gestellt, aussagekräftige Belege liefert Knopp für solche gewagten Behauptungen nicht.

Diesen Befund im Sinne geht es dann munter fort, ohne daß eine erkennbar systematische Auseinandersetzung mit dem Thema erfolgt. Alle Urteile werden mit einer den Zuschauer irritierenden Selbstsicherheit vorgetragen, kaum ein Kommentar in dem unterschiedliche Argumente gegeneinander abgewogen werden – dank des „benefit of hindsight“ (Gerard Radnitzky) weiß Knopp eben alles besser. Zwangsläufig muß der permanent aufdringliche Tonfall eines Propagandastreifens einem an sachlicher Berichterstattung gelegenen Zuschauer auf die Nerven gehen.

Die 26 wilhelminischen Friedensjahre (1888-1914) werden schnell abgehandelt, der Hauptteil des Films befaßt sich mit dem Ersten Weltkrieg, in dem der Monarch jedoch eine völlig untergeordnete Rolle spielte.

Ein ganzer Satz über Bismarcks Entlassung („Er stand im Weg und mußte weg!“), die Flottenpolitik eine fanatische Idee des Kaisers („besessen von Seemacht“); für die enorme Entwicklung von Bildung, Wissenschaft und Technik in der wilhelminischen Epoche werden immerhin zwei vollständige Sätze aufgebracht.

John Röhl als Interviewpartner breitet seine Extrempositionen aus und dient als Hauptzeuge der Anklage.

Bei der Schilderung der Julikrise 1914 erreicht das tendenziöse Gebräu seinen Siedepunkt, jegliche rationale Argumentationslinie geht im Übereifer des Verdammens verloren:
Einerseits der heimtückische Kaiser, der endlich die langersehnte Gelegenheit zum Kriege bekommt, andererseits der schwächliche Zauderer, der um jeden Preis den Frieden bewahren will?
Spätestens an dieser widersprüchlichen Stelle dürften die meisten Zuschauer völlig verwirrt sein ob der Frage, wie Wilhelm II. nun (im Sinne der Macher der Dokumentation) richtig gehandelt hätte. Eine Antwort wird nicht gegeben.

Fazit
Guido Knopp

Geschichte ist eben ein Tollhaus, ein Zirkus, und mittendrin der geschichtsmächtige Dompteur Guido Knopp, der für alles eine simple Erklärung weiß und gleichzeitig sehr vage bleibt.

Der klugen Einschätzung der Neuen Zürcher Zeitung anläßlich der oben erwähnten Polemik des Historikers Norbert Frei ist somit vollauf zuzustimmen:
„Die vielfach auf billige Dramatisierung, seichte Emotionalisierung und inhaltsleere Pseudoauthentizität setzenden Produktionen Knopps und anderer zu verteidigen, gibt es freilich tatsächlich keinen Anlaß.“ (NZZ, 25.9.2006: „Im Bann der Bilder“, S. 23)